Das ist rechtlich aber schwierig...oder?

Baro Gabbert

Als Laie juristische Themen zu verstehen ist gar nicht so einfach. 🤯 Als Klima­aktivistin und Juris­tin ⚖️ hat es sich Baro Gabbert zur Aufgabe gemacht, junge Menschen dabei zu unter­stützen und recht­liche Themen rund um das Thema Umwelt und Klimaschutz verständlich zu machen. 💡 Wir haben mir ihr gechattet!

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Vorgestellt.

Wer ist Baro Gabbert?

Baro Gabbert ist Klimaaktivistin 💪 und Juristin. ⚖️ 

Außerdem ist sie Grün­derin der Climate Clinic - der ersten studen­tischen Rechts­beratung für Klima und Recht! Die Climate Clinic hat das Ziel, recht­liche Themen verständ­lich zu machen 💡 und Ansprech­partnerin für junge Men­schen zu juristischen Fragen zu sein. So soll die Aussage "Das ist aber rechtlich schwierig“ kein Grund mehr sein, junge Men­schen aus Debatten aus­zuschließen! 👏 Unter anderem berät sie Aktivist:innen von Fridays for Future. Sie ist bei den Lawyers for Future aktiv 📢 und engagiert sich bei der Klima­schutz­organisation "GermanZero".🌱

Baro ist 1997 geboren und in Berlin auf­gewachsen. Sie studiert Jura an der Bucerius Law School in Ham­burg.

Hallo Baro! Schön, dass du uns für ein Inter­view zur Ver­fügung stehst 😊 Starten jetzt mal mit einer kur­zen schnellen Frage­runde ⏰ Antworte einfach spontan: Hamburg oder Berlin? 
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Berlin ❤️
Benjamin Blümchen oder Bibi Blocks­berg?  🐘✨
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Lotta aus der Krach­macherstraße
Hafer- oder Sojamilch? 
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Erbsenmilch. Große Ent­deckung. Sonst Hafer­milch 🥛
„HalliGalli“ oder „Die Siedler“? 
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Ich spiele gerne die Siedler.
Fairphone oder iPhone?  📱
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Bin leider bisher beim iPhone hängen geblieben 🙊
Bei Insta schreibst du, du bist ein “Kreuzköllnkind”. Was bedeutet für dich Heimat? 
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Ich bin in Berlin aufge­wachsen, zwischen Neu­kölln und Kreuz­berg. Früher hatten die Bezirke einen schlechten Ruf. Auf dem Gym­nasium sagte man zu mir, ich käme da her, „wo die Armen wohnen“. Ein Kommi­li­tone meinte, er sei stolz, „dass ich es aus Kreuz­berg an die Uni geschafft“ habe. Ich war aber im­mer sehr dank­bar dafür, dass ich umgeben von Straßen­musik, Fremd­sprachen und vielen unter­schiedlichen Lebens­realitäten aufwachsen durfte – und bin gerade zurück­gezogen. 😌
Du studierst ja Jura. ⚖️ Wie bist du denn dazu gekommen?
Baro1
Meine Oma erzählt immer, dass ich mit sechs Jahren Bundes­kanzlerin werden wollte, um ein Gesetz zu machen, das Schnee­leoparden vorm Aus­sterben beschützt. 🐆 Während meiner Schul­zeit durfte ich das indi­gene Dorf Sarayaku in Ecuador besuchen, das einen beein­druckenden Prozess gegen Öl­investoren und für indigene Rechte und Natur­schutz gewonnen hat. 🍃 Spätes­tens seitdem sehe ich Recht als wichtiges Mittel für Verän­derung. Und ich wollte Teil davon sein. 👩‍💻
Ein Begriff der einem heute fast überall begegnet ist „Nachhaltig­keit“. Was verstehst du unter Nachhaltig­keit? 
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Wir können nicht auf Dauer mehr nutzen, als unser Planet hergibt. Für mich meint Nachhaltig­keit daher eine Lebens- und Wirtschafts­weise, die mit Ressour­cen so umgeht, dass die sozialen, öko­logischen und öko­nomischen Bedürf­nisse einer Gesellschaft auch in Zukunft befriedigt werden können. ♻️ Anders­herum: Nachhaltig­keit ist das Gegen­teil vom zukunfts­vergessenen Ver­halten Einzel­ner zulasten künftiger Gene­rationen. ❌ 
Welche Bedeu­tung hat für dich Social Media in Bezug auf dein Engage­ment für Nachhaltig­keit? 🤔
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Prak­tisch finde ich, dass ich mich auf Social Media infor­mieren, moti­vieren und mit Mitstreiter:innen auf der ganzen Welt ver­netzen kann. Vom Ama­zonas bis zu den Philippinen – ganz ohne Flie­gen. Aber wenn bei mir viel los ist und es eigentlich am Mei­sten zu teilen gäbe, habe ich oft keine Ener­gie oder Zeit mehr für Social Media – nicht zuletzt, weil einem dort leider so oft auch Hass und un­schöne Kommen­tare begegnen. 🧘🏽‍♀️
Wie begeisterst du Menschen für mehr Klima­schutz?  💪
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Wenn es eines gibt, auf das sich fast alle Men­schen einigen können, dann dass wir gerne eine in­takte Erde als unsere Lebens­grund­lage hätten, oder? 🧐 Die Zukunft gehört also denen, die Klima­schutz nicht als Be­drohung, sondern als Chance für eine lebens­wertere Zukunft be­greifen. Was gäbe es also Passen­deres, als sich mit tollen Men­schen zusammen­zutun, die sich auch für eine lebens­werte Zukunft ein­setzen? Eben, let‘s go. 🤝
Welche Themen – neben Nachhaltig­keit und Klima­schutz – liegen dir (als Juristin) ganz besonders am Her­zen?  
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Als junge Juristin bewegt mich Chancen­gleich­heit. Die Jura-Welt hat meiner Mei­nung nach viel zu tun, wenn es um Geschlechter­gerechtigkeit, Inklusion und Förderung von Menschen mit Migrations­geschichte geht. Es fehlt an Repräsentation und Chancen­gleichheit in juris­tischen Berufen und Gesetzen, die Lebens­realitäten an­erkennen. 🧑‍⚖️  Und – als Freundin, Kommilitonin und große Schwester – mentale Gesund­heit. Alleine Pan­demie und Klima­krise belasten verständlicher­weise viele junge Men­schen. Deren Angst und Hoffnungs­losigkeit sollten dringend ernst genommen und begleitet werden. 💭
Die Zukunft gehört also denen, die Klima­schutz nicht als Bedrohung, sondern als Chance für eine lebens­wertere Zukunft begreifen.
Baro Gabbert
Gehen wir jetzt mal richtig rein ins Thema… Manche sagen, dass sie mehr Angst haben vor der Klima­krise als vor der Corona­krise. Ist das bei dir auch so?
Baro1
Die Klima­krise ist in einer wichtigen Hinsicht kom­plexer und damit beängstigender als die Corona-Krise: Während sich die Corona-Krise durch schnelle und greifbare Lö­sungen wie z. B. Im­pfungen kontrollieren lässt (oder ließe 💉), bedarf es zur Lö­sung der Klima­krise neben einigen Sofort­maßnahmen einen grund­legenden Wandel in fast allen Lebens­bereichen. Ganz so einfach wie “es soll alles so sein wie vor Corona” ist es in der Klima­krise nicht. Aber hey – Zeit für Visionen! 🔭✨
Beim Thema Klima­schutz wird schnell über Ver­bote ❌ gesprochen und dass diese ein großer Ein­schnitt in unsere Frei­heit sind (Stichwort: Tempo­limit). Frei­heit des Einzelnen vs. Schutz der All­gemeinheit – was sagt das Recht dazu? 
Baro1
Das Recht kennt für solche Fragen die Abwä­gung: verschie­dene Interessen zu berück­sichtigen und mit­einander in einen Aus­gleich zu bringen. ⚖️  Die Frei­heit des Ein­zelnen steht dabei auch im Verhäl­tnis zu der Frei­heit der anderen. An vielen Stellen werden Frei­heiten ein­geschränkt, um mehr Frei­heit für sich und andere zu gewähr­leisten – von der Anschnall­pflicht im Auto bis hin zum Rauch­verbot in öffent­lichen Räumen, das ist also nicht speziell beim Klima­schutz ein Thema. 🤷‍♀️
SUV fahren und grün wählen - für dich ein Wider­spruch? 🤨
Baro1
Jede Person, die in Deutsch­land lebt, nimmt mehr plane­tare Ressourcen in Anspruch als ihr global zustehen – egal, ob sie sich klima­politisch engagiert oder aus Über­zeugung die Grünen wählt. Es kann also nicht darum gehen, sich perfekt zu verhalten, um für Klima­schutz zu sein. Aber irgendwo beginnt der Bereich des wider­sprüchlichen Verhaltens natürlich schon. Ich kann gut verstehen, dass viele SUV-Fahrer dazu zählen.
In Deutschland herrscht Gewalten­teilung. Wer ist deiner Mei­nung nach gefragt, wenn es um aktiven Klima­schutz geht – Legis­lative, Exekutive oder Judi­kative? Und welche Rolle hat dabei der Klima­protest junger Menschen? 🤷
Baro1
Zuallererst ist die Politik gefragt, ihre eigenen Ver­träge wie das Pariser Ab­kommen und ihre Ziele einzu­halten. Dass es dafür Proteste auf der Straße über­haupt braucht, ist eigent­lich schon absurd. 😡 Aber politische Ent­scheidungen hängen eben auch massiv von der gesell­schaftlichen Stim­mung ab. Diese Stim­mung ist mit der ersten Klima-Entscheidung des Bundes­verfassungs­gerichts auch in der Judikative an­gekommen. Neben den Klima­aktivist:innen schaut jetzt also auch sie der Re­gierung auf die Finger. 🕵🏾‍♀️ 
Das Pariser Klima­schutz­abkommen hat das Ziel die glo­bale Erd­erwärm­ung auf maximal 2°C - idealer­weise 1,5°C - zu be­grenzen. 🌡️ Ist dieses Ab­kommen eigentlich rechtlich bindend? Und was passiert, wenn Länder sich nicht daran halten?
Baro1
Als völker­recht­licher Vertrag ist das Pariser Klima­schutz­abkommen an sich juristisch bindend. Problematisch ist aber, dass das Ab­kommen auf freiwillige Selbst­verpflichtungen der Staaten setzt. Und, dass bei Nicht­einhaltung auf internationaler Ebene keine Sanktions­möglich­keiten vor­gesehen sind. Neuer­dings fangen Gerichte aller­dings an, Wege zu finden, das Ab­kommen in den einzelnen Staaten als rechtlich bindend und über­prüfbar zu erklären, so wie z. B. das Bundes­verfassungs­gericht im April 2021. ⚖️
Hat die Natur Rechte? 🌳 Falls ja, wie kann sie ihre Rechte durch­setzen?
Baro1
Mit Ecuador, Neuseeland oder Kolumbien gibt es Rechts­ordnungen, die der Natur ganz oder teil­weise eigene Rechte verleihen. So kann etwa das Recht eines Flusses vor Gericht berück­sichtigt werden, durch­gesetzt zum Bei­spiel durch dessen Anwohner:innen. 🌊 In Deutsch­land ist das anders: Wir müssen vor Gericht geltend machen, selbst durch die Umwelt- oder Klima­veränderungen betroffen zu sein. Dass also z. B. der austrock­nende Fluss vor unserer Haus­tür unseren Beruf oder unsere Gesund­heit betrifft. 👨🏻‍🌾
Deutschland ist “nur” für 2 Prozent der globalen Emission verant­wortlich. Was antwortest du Men­schen, die sagen, dass erst einmal die Län­der mit einer höheren Emission handeln sollten?
Baro1
2% klingen erstmal wenig. Deutsch­land hat aber his­torisch gesehen die sechst­meisten Emissionen ausgestoßen – von allen Ländern welt­weit. 🤯 Außer­dem ist ja völlig klar, dass eine Krise, zu der viele bei­tragen, nicht alleine gelöst werden kann. Sie kann aber erst recht nicht gelöst werden, wenn des­wegen alle auf die anderen warten. Für diese Aus­rede hat übrigens sogar das Bundes­verfassungs­gericht die vergangene Regierung gerügt: Wer Abkommen unter­zeichnet, muss seinen Teil auch ein­halten. 👩🏽‍⚖️     
Was muss deiner Meinung nach (rechtlich, politisch) passieren, damit es eine “echte” öko­logische Trans­formation gibt?  
Baro1
Trans­formation meint ja einen grund­legenden und dauer­haften Wandel. Dafür reicht es nicht, ein paar kleine Stellen nach­zubessern. Viel­mehr müssen unsere Regeln angepasst an die neuen wissen­schaftlichen Rea­litäten grund­legend über­arbeitet werden. Ausgehend von einem CO2-Rest­budget müssen von der Politik klare Rege­lungen in allen klima­relevanten Sektoren, von der Land­wirt­schaft bis hin zur Energie­erzeugung, folgen. Und dann muss man sich nichts vor­machen: Eine echte öko­logische Trans­formation ist eine gesamt­gesell­schaftliche Kraft­anstrengung. 👩🏼‍🌾 👷🏽‍♂️ 👩🏻‍💻
☝️ Dein Abschluss-Statement: Junge Men­schen sollten sich politisch beteiligen, weil...
Baro1
...die Zukunft uns gehört. Lasst sie uns gestalten: Klima­gerecht, sozial und gemeinsam. 🤝