Der Osten als Entwicklungsregion

Carsten Schneider

Carsten Schneider ist Staats­minister und Be­auf­tragter der Bundes­re­gierung für Ost­deutsch­land. Er setzt sich also für die Inter­essen dieser Re­gion ein. 💪 Was genau den ge­bürtigen Er­furter be­wegt und was er mit dem Thema so­ziale Ge­rechtig­keit 💯 zu tun hat, er­fahrt ihr hier!

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Vorgestellt.

Wer ist Carsten Schneider?

Carsten Schneider ist SPD-Mit­glied, 🔴 Staats­minister, 👨‍💼 Be­auf­tragter der Bun­des­re­gie­rung für Ost­deutsch­land 💬 und ge­bürtiger Er­furter. 🏠 Ganz schön viel! Er kom­mt also aus Thür­ingen und ver­tritt die Inter­essen Ost­deutsch­lands in der Po­litik. 🎤 Für ihn ist das eine Zu­kunfts­region mit vielen Po­tenz­ialen, sei es ge­sell­schaft­lich, kulturell oder wirt­schaft­lich. Bei der Bundes­tags­wahl 1998 war er mit 22 Jahren der jüngste je­mals in den Deut­schen Bundes­tag ge­wählte Ab­ge­ord­nete. 💁‍♂️

Hallo Carsten 👋 Schön, dass du uns für ein In­ter­view zur Ver­fü­gung stehst. Zu Be­ginn möchten wir dir ein paar kurze Fragen stellen. Antworte ein­fach aus dem Bauch her­aus: Erfurter Puff­bohne oder Ber­liner Hipster? 🫘🤙
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Eine stolze Er­furter Puff­bohne, so wie alle, die in Erfurt ge­boren sind.
Curry­wurst oder Thür­inger Brat­wurst? 🌭
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Die Thüringer Rost­brat­wurst, ist ein­fach un­schlag­bar. 
Carl-Zeiss Jena oder Rot-Weiß Erfurt? ⚽
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Rot-Weiß Erfurt Fan ♥️🤍 bin ich so­lange ich denken kann, an­sonsten unter­stütze ich Ein­tracht Frank­furt.
4-Sterne Hotel oder Camping­platz? 🏩🏕
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Früher Camping­platz, heute lieber Hotel. 
Gleich­heit oder Ge­rech­tig­keit?
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Das eine geht nicht ohne das andere.
Wende­gewinner oder Wende­ver­lierer? 😁👍😒👎
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Ein Wende­gewinner, denn ohne sie wäre ich nicht da, wo ich heute bin.
Beschreibe den Be­griff „Ge­rech­tig­keit“ mit drei Emojis!
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⚖️😁💵
Was be­deutet Ge­rech­tig­keit für dich? 🤔
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Dass starke Schul­tern mehr tragen als schwache. 🏋️‍♀️ Und dass alle Men­schen von Be­ginn an glei­che Lebens­chancen haben, un­ab­hängig von der Her­kunft. Ge­recht wäre eine Ge­sell­schaft ohne Ar­mut und Aus­gren­zung.
Was sind die wichtig­sten Ge­rech­tigkeits­fragen in Deutsch­land und gibt es re­gionale Unter­schiede? ⚖️
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Die un­gleich ver­teilten Ver­mögen und Ein­kom­men sind ein großes Pro­blem. 💰 Eine kleine Grup­pe be­sitzt sehr viel, und sehr viele be­sitzen sehr wenig. Es gibt zu viele Men­schen, die ar­beiten und trotz­dem arm sind. Übrigens über­durch­schnitt­­lich oft in Ost­deutsch­land. Hier wird auch weniger ver­erbt. Es gibt bei uns aber auch eine große Bildungs­un­ge­rech­tig­keit. Kinder aus Aka­demiker­haus­halten stu­dieren viel häu­figer als Arbeiter­kinder. Das müssen wir ändern.
Wie ver­sucht Politik Ge­rech­tig­keit her­zu­stellen? Nenne ein Bei­spiel! ✨
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Im Jahr 2015 hat die da­malige Re­gie­rung den ge­setz­lichen Mindest­lohn ein­ge­führt. 💶 Die jetzige Re­gie­rung hatte ihn zu­nächst auf 12 Euro an­ge­hoben und da­mit ein Ver­sprechen von Olaf Scholz aus dem Wahl­kampf ein­ge­löst. Ab Januar 2024 liegt er bei 12,41 Euro. Viele Men­schen in ge­ring ent­lohnten Be­rufen haben da­durch deut­lich mehr Geld in der Tasche. Gut so!
Du bist Mit­glied der SPD – eine Partei, die für so­ziale Ge­rech­tig­keit steht. Aber jetzt mal ehr­lich, will nicht jede Partei irgend­wie Ge­rech­tig­keit? 🤷‍♀️
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Die Vor­stel­lungen ge­hen zum Teil schon sehr aus­ein­ander. Das zei­gen auch die ak­tu­ellen De­bat­ten um das Bürger­geld oder die Kin­der­grund­siche­rung. Die SPD 🔴 hat im­mer für einen gut funk­tio­nie­renden Sozial­staat ge­kämpft – oft gegen Wider­stände. Und wir sind eine emanz­ipa­torische Par­tei in der Tra­dition der Ar­beiter- und Frauen­be­wegung. Uns geht es um einen hand­lungs­fähigen Staat, der die Men­schen ab­sichert und sie zu­gleich be­fähigt, et­was aus ihrem Le­ben zu ma­chen.
Gerech­tig­keit hat viel mit Ver­tei­lung zu tun. Wie geht ge­rechte Ver­tei­lung?
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Ich sage seit langem, dass wir große Erb­schaften stärker be­steuern müs­sen. Das tut nie­mandem wirk­lich weh und wäre ein wich­tiger Schritt. Ge­rade jetzt, denn Deut­sch­land steht vor einer regel­rechten Erb­schafts­welle. In den kom­menden Jah­ren wer­den Mil­liar­den­ver­mö­gen weiter­ge­geben – ein­fach durch die Ge­burts­lotterie.
Mehr Bürger­geld, mehr Wohn­geld, höherer Mindest­lohn. Ist mehr Geld im­mer DIE Lö­sung für mehr Ge­rech­tig­keit? 🤑
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Häufig haben wir es mit hand­festen Ver­tei­lungs­fragen zu tun. Aber mehr Ge­rech­tig­keit muss nicht im­mer etwas kos­ten. Es ist zum Bei­spiel un­ge­recht, dass im­mer noch zu we­nige Ost­deutsche in Füh­rungs­posi­tionen ar­beiten. 👔 Das zu än­dern kostet kein Geld, son­dern hier ist eher Auf­klä­rungs­arbeit ge­fragt.
Du bist Ost­be­auf­tragter. Be­schreibe uns einen typ­ischen Allt­ag in dieser Rolle. 🌝🌜🌟
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Mein Tag be­ginnt meis­tens mit der Zei­tungs­lek­türe. Da­nach sieht je­der Tag an­ders aus. Wenn ich in meinem Büro im Kanzler­amt bin, führe ich viele Ge­spräche, nehme an Sitz­ungen teil und be­arbeite Akten. Aber ich bin auch viel im Osten unter­wegs, be­suche zum Bei­spiel Unter­nehmen, Ini­ti­ativen oder Pro­jekte. 🚀 Auch Presse­arbeit ✍️ wie sol­che Inter­views ge­hören zu mei­nem Job. Inso­fern gibt es keinen typ­ischen All­tag, aber einen sehr gut ge­füllten Ter­min­ka­len­der.
Was macht den Osten aus? 🔍
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Der Osten ist eine spann­ende Zu­kunfts­region. 📈 Kein Zu­fall, dass sich viele Fir­men dort an­siedeln. Die Vor­teile: prag­ma­tische Ver­wal­tungen, aus­rei­chend Flä­che und vor al­lem der beste Zu­gang zu er­neuer­baren Ener­gien. Aber der Os­ten bietet auch eine tol­le Na­tur und jede Menge Kul­tur. 🍃🎼 Was die Men­schen an­geht: Die sind auch super – di­rekt, lo­yal, durch die Er­fahr­ungen nach 1989 aber auch etwas kri­tischer.
Welche Ost-West-Kli­schees sind in deiner Ar­beit be­son­ders nervig und gibt es welche, die tat­säch­lich stim­men? 😤😡🙃
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Der Klas­si­ker ist das Kli­schee der Jam­mer-Os­sis. Das ist an­stren­gend, aber es stim­mt auch ein bis­schen. Ich wer­be da­für, mehr auf das zu schau­en, was in den letz­ten drei­ßig Jah­ren schon er­rei­cht wur­de und wel­che Lei­stung es ist, dass sich die Ost­deut­schen so vieles mit ei­genen Hän­den auf­ge­baut ha­ben. 🛠️ Da­rauf kön­nen wir stolz sein. Aber ja, es gibt im­mer noch Unter­schiede, zum Bei­spiel bei der Ver­mö­gens­ver­tei­lung zwi­schen Ost und West, da ver­stehe ich auch den Un­mut.
Dirk Osch­mann spri­cht in seinem Buch da­von, dass der Os­ten eine west­deut­sche Er­fin­dung sei. Teilst du diese Be­haup­tung?
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Viele sei­ner The­sen teile ich nicht. Das mag aber auch ein Ge­ne­ra­tions­unter­schied zwi­schen uns sein. Osch­mann zei­­chnet das Bild eines ver­zagten Os­tens, der vom Wes­ten per­ma­nent ge­de­mütigt wird. Da­bei ha­ben wir je­den An­lass, selbst­be­wusst zu sein. Ohne uns wäre Deut­land viel ärmer, ich denke da an die Ener­gie­wende, ⚡oder an die vie­len ost­deut­schen Fach­kräfte, die den Wohl­stand im Wes­ten er­ar­beiten. Wir brin­gen also viel ein, und ein star­kes Ost­deutsch­land ist im In­ter­esse des gan­zen Lan­des. 💪
Valerie Schönian schreibt in ihrem Buch da­ge­gen von einem Ost­be­wusst­sein. Gibt es das?
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Ja, aber das hat sich erst in den letzten zehn Jah­ren so rich­tig ent­wickelt. Jetzt sagt eine jüngere Ge­ne­ra­tion: Hal­lo West­deut­sche, der Os­ten ist groß­artig, und ich finde mich gut so, wie ich bin. 👋 In­zwi­schen las­sen sich die Men­schen nicht mehr alles ge­fal­len, es gibt ein grö­ßeres Selbst­be­wusst­sein. Man­che Ältere muss man da noch über­zeugen, aber das ge­hört auch zu mei­nem Job. Was mir am Os­ten ge­fällt: Die Leute sind di­rekt und ehr­lich. 💬 Da geht es auch mal rauer zu. Das merke ich im per­sön­lichen Ge­spräch und da­mit kann ich gut um­gehen.
Nur mit en­ga­gierten Men­schen vor Ort bleibt der Osten lebens­wert.
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Mitt­ler­weile zie­hen viele (junge) Men­schen von West- nach Ost­deutsch­land mit der Hoff­nung auf gute Le­bens­be­din­gungen. Wer­den die ost­deut­schen Bun­des­länder lang­sam „in“? 🤩
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Die Stu­dien-Städte im Os­ten sind schon lange kein Ge­heim­tipp mehr. Leip­zig, Er­furt, Greifs­wald oder Jena locken mit tol­len Studien­gängen und günst­igeren Mie­ten. Aber auch für einen guten Aus­bil­dungs­platz oder ein tol­les Grund­stück auf dem Land für eine junge Fa­mi­lie lohnt sich ein Um­zug, auch für Rück­kehrer. 🍁🏠 Da­rüber freue ich mich, denn nur mit en­ga­gierten Men­schen vor Ort bleibt der Os­ten le­bens­wert.
Werden Ost­deutsche also doch noch zu Wende­ge­win­nern? 💪
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Die Ost­deut­schen sind die größten Wende­ge­win­ner. Oder will ernst­haft je­mand in einer Dik­ta­tur ohne Reise­frei­heit leben, wo alle über­wacht wer­den? Sicher gab es viele Um­brüche und schwie­rige Er­fah­rungen, aber in ei­nem ver­ein­ten Deutsch­land sind wir doch bes­ser dran. Und die gute Nach­richt ist, der wirt­schaft­liche Boom in Ost­deutsch­land macht die Ost­deut­schen auch zu wirt­schaft­lichen Ge­win­nern. Denn dort, wo qua­li­fi­zierte, neue Ar­beits­plätze ent­stehen, ver­dienen die Men­schen gut und kön­nen gut da­von leben!
Warum gibt es ei­gent­lich keinen West­be­auf­tragten? ❓❓❓
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Deutsch­land ist zum Glück sehr viel­fäl­tig in den Re­gio­nen. Aber auf dem Ge­biet der ehe­ma­ligen DDR gibt es eben be­son­dere Un­ter­schiede, die man im­mer noch auf Land­karten sehen kann. 👀 Des­halb ist es auch rich­tig, dass sich je­mand grund­sätz­lich da­rum küm­mert, dass ost­deut­sche In­ter­es­sen be­rück­sich­tigt wer­den. Ich wün­schte, das wäre nicht mehr nö­tig – in­so­fern ar­beite ich je­den Tag selbst an meiner Ab­schaf­fung.
Bei der Bun­des­tags­wahl 1998 warst du mit 22 Jah­ren der jün­gste jevmals in den Deut­schen Bun­des­tag ge­wählte Ab­ge­ord­nete. Was möch­test du jun­gen Men­schen sagen, die sich eben­falls po­li­tisch en­ga­gieren wol­len? 📣
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Am wich­tigsten ist es, ein­fach an­zu­fan­gen. Ich freue mich über alle, die Lust haben, sich vor Ort für etwas ein­zu­setzen. Und es gibt über­all Par­teien, Jugend­grup­pen oder andere Or­ga­ni­sa­tionen, für ein ge­mein­sames ge­sell­schaft­liches Ziel. Also schaut mal vor­bei, or­ga­ni­siert euch, traut euch vor al­lem was zu und ganz wich­tig: Sucht euch Leute, die euch un­ter­stützen. ✊
Wäre es nicht auch ge­recht, wenn der Bun­des­tag jün­ger wird, Stich­wort Ge­ne­ra­tionen­ge­rech­tig­keit? 🧒🌱
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Dieser Bun­des­tag ist einer der jüng­sten, den wir je hat­ten. Und ich freue mich über viele junge Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen. Aber am wich­tig­sten ist, dass sich mehr Jüngere in Par­teien en­ga­gieren und sich zur Wahl stel­len. Ich finde es rich­tig, dass man mit einem Al­ter von 18 Jah­ren ge­wählt wer­den darf.
Du hast kürz­lich vor­ge­schla­gen, dass jede*r zu seinem*ihrem 18. Ge­burts­tag 20.000€ vom Staat be­kom­men soll. Warum ist das eine gute Idee? 💰
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Das wür­de hel­fen, die Ver­mö­gens­un­gleich­heit zwi­schen Arm und Reich in Deutsch­land etwas zu ver­ringern. Je­der sol­lte die Mög­lich­keit haben, un­ab­hängig vom Ein­kom­men der El­tern eine gute Aus­bil­dung oder ein Stu­di­um machen zu kön­nen. Fi­nan­zie­ren kön­nte man das zum Bei­spiel über eine höhere Erb­schafts­steuer.
Und jetzt ohne Geld: Was kön­nen jun­ge Men­schen für eine ge­rechte Ge­sell­schaft tun? 💯
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Ver­netzt euch und sucht euch Ver­bün­dete. Das müs­sen auch nicht viele sein. In Er­furt habe ich vor Jah­ren mit einer Hand­voll Freunde den Be­ne­fiz­lauf „Er­furt rennt“ ins Le­ben ge­rufen. In­zwi­schen ge­hört die Ver­an­stal­tung fest zum Stadt­ka­len­der und viele Teams lau­fen da­bei für To­le­ranz und ein bes­seres Mit­ein­ander. Bei dem Lauf wer­den Spen­den ge­sam­melt. Aber über­all, wo sich Men­schen für so­zial Schwä­chere ein­setzen und da­für Zeit und Mühe in­ves­tieren, ent­steht eine ge­rech­tere Ge­sell­schaft. Und das geht am besten ge­mein­sam. 🤝
Vielen Dank für das Inter­­view und alles Gute für die weitere Arbeit.