Deine Anlaufstelle bei Diskriminierung

LADS

Die Landes­anti­dis­kri­mi­nie­rungs­stelle (LADS) berät Men­schen, die von Dis­kri­mi­nie­rung be­trof­fen sind. 😟 Das heißt, sie helfen Men­schen, die An­fein­dung und Aus­gren­zung auf­grund ihrer Her­kunft, 🌍 Re­li­gion, ✝ se­xu­ellen Ori­en­tie­rung 🏳️‍🌈 oder ihres Ge­schlechts 👩 & Alters 👴 erlebt haben. Be­ratung und Ver­net­zung mit an­deren Or­ga­ni­sa­tionen sind da­bei nur einige ihrer Stecken­pferde. 🐴 In un­serem Inter­view haben wir den Leiter der LADS, Michael Hasen­beck, an unserem Tisch ge­holt und mit ihm ge­chattet.📱

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Hallo Michael! Schön, dass wir dich in­ter­viewen dür­fen! 👋 Fan­gen wir di­rekt an: Du leitest die Thü­rin­ger Lan­des­anti­dis­kri­mi­nie­rungs­stelle. Was macht ihr und wa­rum braucht es euch? 🤔
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Im Grund­ge­setz steht: Die Wür­de des Men­schen ist un­an­tast­bar. Durch Dis­kri­mi­nie­rungen wird diese Wür­de an­ge­griffen. Das ist nicht nur ein Nach­teil für die ein­zelnen Men­schen, son­dern für die ganze Ge­sell­schaft. Die Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­arbeit ist des­halb wich­tig für die De­mo­kra­tie. Nicht nur in Thü­rin­gen, son­dern in ganz Deutsch­land und Eu­ropa.
Und was macht ihr ge­nau?
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Als Lan­des­anti­dis­kri­mi­nie­rungs­stelle (kurz: LADS) ent­wickeln wir ge­mein­sam Stra­te­gien und Pläne, wie wir Dis­kri­mi­nie­rung in Thü­rin­gen ver­hin­dern und be­kämp­fen kön­nen. Wir för­dern Pro­jekte der Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­arbeit, wir ar­beiten mit Ak­teur*innen in Thü­rin­gen und in ganz Deutsch­land zu­sam­men. Be­trof­fenen von Dis­kri­mi­nie­rung hel­fen wir ent­weder ganz direkt oder unter­stützen sie da­bei, ei­ne ge­eignete zivil­ge­sell­schaft­liche Bera­tungs­stelle zu fin­den. Wir ver­stehen uns hier als Lots*in­nen.
Werden wir mal konkreter: Wie unterstützt ihr Men­schen, die diskriminiert werden? 💪
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Wir bieten eine Erst- und Ver­weis­be­ra­tung an. Das heißt, wir prü­fen den Vor­fall und schauen, wer am besten hel­fen kann. Das sind manch­mal wir selbst (v.a., wenn Be­hör­den mit im Spiel sind) oder an­dere, spe­zi­a­li­sierte Be­ra­tungs­stellen, wie z.B. die Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­be­ra­tungsstelle Empower­Mensch oder die Be­ra­tungs­stelle für Op­fer von ras­sis­tischer und anti­se­mi­tischer Ge­walt ezra. Manch­mal sind ein­zelne Vor­fälle der An­lass, um Än­de­rungen in Ge­setzen zu er­wir­ken. Das ist uns zum Bei­spiel im Thü­rin­ger Gast­stätten­gesetz ge­lun­gen. Dem­nach sind seit 2017 die Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund der Re­li­gion oder der eth­nischen Her­kunft ver­boten und kön­nen mit einem Buß­geld ge­ahn­det wer­den (§ 10 Abs. 12 ThürGastG). Wenn so etwas pas­siert, z.B. beim Ein­lass in eine Disco, kann der Vor­fall bei der je­weiligen Stadt, Kom­mune oder beim Land­kreis an­ge­zeigt wer­den.
Wie viele Emojis brauchst du, um Dis­kri­mi­nie­rung zu er­klären? 🙈🙉🙊
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😱
Nein, im Ernst. Was ist Dis­kri­mi­nie­rung? Ver­suche es uns in we­nigen Wor­ten zu er­klären.
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Hier schauen wir in Ar­tikel 3 un­seres Grund­ge­setzes. Der sagt da schon eine Me­nge. Alle Men­schen sind vor dem Ge­setz gleich. Dis­kri­mi­nie­rung kann sich er­geben, wenn staat­liche Ge­setze oder Ma­ßnahmen hier­gegen ver­stoßen. Vor al­lem darf hier­nach nie­mand wegen seines Ge­schlechtes, sei­ner Ab­stam­mung, seiner Rasse, seiner Spra­che, sei­ner Hei­mat und Her­kunft, seines Glau­bens, seiner re­li­gi­ösen oder po­li­tischen An­schau­ungen benach­teiligt oder bevorzugt und nie­mand wegen seiner Be­hin­derung be­nach­tei­ligt werden. All das wäre dis­kri­mi­nie­rend.
Was macht Dis­kri­mi­nie­rung mit den Be­trof­fenen? ☹️
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Dis­kri­mi­nie­rung zieht die Men­schen runter oder macht sie wü­tend. Auf je­den Fall geht sie nicht spur­los an den Be­trof­fenen vor­bei.
Werden heute eigent­lich mehr Men­schen dis­kri­mi­niert als vor 10 Jahren? ⏰
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Wahr­schein­lich nicht, je­doch wer­den die Vor­fälle auf­grund der stärkeren Sen­si­bi­li­sie­rung der Men­schen zu dem The­ma so­wie im­mer mehr Mög­lich­keiten, Dis­kri­mi­nie­rung sicht­bar zu machen (z. B. durch Be­ra­tungs- und Melde­stellen), häufiger ge­meldet. Eine Studie der Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­stelle des Bun­des 2015 zu Diskri­mi­nie­rungs­er­fah­rungen hat er­geben, dass ca. 1/3 der in Deutsch­land leben­den Men­schen von Dis­kri­mi­nie­rung be­trof­fen wa­ren oder sind.
Sprechen wir mal über Dis­kri­mi­nie­rung von Kin­dern und Jugend­lichen: In welchen Si­tu­ationen wer­den junge Men­schen häu­figer dis­kri­mi­niert und wo hast du es am we­nigsten er­wartet?
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Kin­der und Ju­gend­liche er­fahren dort am häu­fig­sten Dis­kri­mi­nie­rung, wo sie auch die meiste Zeit ver­brin­gen: in der Schule und in der Frei­zeit. Ich hät­te nicht er­wartet, dass Kin­der und Ju­gend­liche bei uns noch durch ihre Fa­mi­lien aus­ge­grenzt wer­den, wenn sie sich als homo­se­xuell oder trans* outen oder junge Men­schen mit unter­schied­lichen Religions­zu­gehö­rig­keiten be­freundet sind.
Was ist das Be­son­dere an Dis­kri­mi­nie­rungs­er­fahrun­gen bei jungen Men­schen?
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Da sich junge Men­schen auch psy­chisch noch ent­wickeln, wir­ken sich Aus­gren­zung und emo­tionale Ver­letzung be­son­ders ver­hee­rend auf die Ent­wick­lung ihrer Per­sön­lich­keit aus. Vor allem in Be­zug auf Ver­trauen und Selbst­be­wusst­sein.
Die Gen Z wird häu­fig als zu sen­si­bel be­zeichnet – Stich­wort: Ge­ne­ra­tion Snow­flake ❄️. Ist die heu­tige Jugend ein­fach zu emp­find­lich?
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Die heutige Jugend wür­de ich als sehr sen­si­bi­li­siert für The­men wie Gleich­be­hand­lung, Chan­cen­ge­rech­tig­keit und na­tür­lich auch Um­welt­themen an­sehen. Viele ma­chen sich Ge­danken über die glo­bale Zu­kunft, den­ken nicht nur an ihre per­sön­lichen In­ter­essen und re­agie­ren bei die­sen The­men em­pfind­lich. Das sehe ich als eine po­si­tive Ent­wick­lung an.
Kommen wir mal zu den Men­schen, die an­dere dis­kri­mi­nieren. „Ich habs doch gar nicht so ge­meint!“ – Legi­time Ent­schul­di­gung oder faden­scheinige Aus­rede? 🤷
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Vielleicht eher mangeln­des Pro­blem­be­wusst­sein. Aber im­mer­hin – wenn Men­schen sich ent­schul­digen, sind sie meist be­reit, auch da­rüber zu re­den und sich die an­dere Seite an­zu­hören. Da gibt es also Hoff­nung auf Bes­serung.
„No­body is per­fect“. Wo­rauf muss ich achten, um nicht selbst je­manden un­be­ab­sichtigt zu dis­kri­mi­nie­ren? 😟
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Nie­mand ist frei von Vor­ur­teilen. Aber acht­sam und wert­schätzend mit­ein­ander um­zu­gehen ist ein guter An­fang. Mit­ei­nander ins Ge­spräch zu kom­men, ge­rade bei Un­sicher­heiten oder wenn sich je­mand dis­kri­mi­niert fühlt, ist sehr wich­tig, da­mit wir alle ler­nen und uns weiter­ent­wickeln kön­nen.
Manche Men­schen, bekla­gen, dass heut­zu­tage nicht mehr alles ge­sagt wer­den darf. Ist es aus dei­ner Sicht rich­tig, das N-Wort, Mohr oder andere Be­griffe nicht mehr zu ver­wen­den? 😶
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Es kann nicht rich­tig sein, Worte zu ver­wen­den, die ganz klar Grup­pen von Men­schen ent­wür­digen, her­ab­setzen oder be­leidi­gen. Da Sprache im­mer im Wan­del ist, ver­ändern sich sag­bare oder unsag­bare Begriffe. Sich auf Tra­ditionen zu be­rufen „das ha­ben wir schon im­mer so ge­macht/ ge­sagt“ ist also kein aus­rei­chendes Ar­gu­ment. Da Sprache unser Den­ken be­ein­flusst, sind Worte wich­tig, um auch un­sere Ein­stel­lungen zu ver­ändern. Das war auch „ges­tern“ schon so. Es gibt für mich eine „Tra­di­tion zum Guten“. Hier sollten wir Mut machend da­rauf schauen, was sich in der Ver­gan­gen­heit po­sitiv ver­ändert hat.
Es kann nicht richtig sein, Worte zu ver­wenden, die ganz klar Gruppen von Men­schen ent­würdigen, herab­setzen oder be­leidigen. Da Sprache immer im Wandel ist, ver­ändern sich sag­bare oder unsag­bare Begriffe.
Michael Hasenbeck
Welchen Unter­schied siehst du zwi­schen Dis­kri­mi­nie­rung in der Stadt 🌆 und auf dem Land? 🚜
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In größeren bzw. großen Städten ist das Leben an­onymer, die Ge­mein­schaf­ten auch im Wohn­um­feld eher lose, offener. Die In­fra­struk­tur hin­sicht­lich der Be­ra­tungs­land­schaft ist zu­dem meist bes­ser aus­ge­baut und es gibt viel­fältige Com­mu­ni­tys. Be­trof­fene haben da­durch mehr Mög­lich­keiten, sich zu weh­ren und Un­ter­stüt­zung zu be­kom­men, sei es mo­ra­lisch oder auch ganz prak­tisch. Auf dem Land kennt man sich, ist auch heute wohl eher noch im klei­neren Kreis mit­ein­an­der ver­bun­den, der so­zi­ale Zu­sam­men­halt spielt eine zen­tralere Rol­le. Das ist zu­nächst ei­gent­lich posi­tiv.
Gibt es auch eine Kehr­seite?
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Ja! Eine Aus­gren­zung wiegt da­durch schwerer, wenn es we­niger Mög­lich­keiten zum Aus­wei­chen gibt. Um­so wich­tiger ist es, dass auch im länd­lichen Raum eine aus­rei­chende Be­ra­tungs­struk­tur vor­han­den ist, da­mit Be­trof­fene sich ge­gen Dis­kri­mi­nie­rung weh­ren kön­nen, mit dem Er­lebten nicht al­lein und "un­sicht­bar" blei­ben. Hier setzt das im Früh­jahr 2023 ge­startete Pro­jekt "Raus aufs Land - Antidis­kri­mi­nie­rungsbe­ra­tung in Thü­rin­gen" an. "Raus aufs Land" ist ein Ge­mein­schafts­pro­jekt von MigraNetz Thü­rin­gen e.V. und dem Thü­ringer Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­netz­werk thadine e.V. und wird von der Bundes­anti­dis­kri­mi­nie­rungs­stelle und der Thü­rin­ger Landes­antidis­kri­mi­nie­rungs­stelle finan­ziert.
Welche Rolle spielt die di­gi­tale Welt 🌐 bei Diskri­mi­nie­rung? Kann sie viel­leicht so­gar hel­fen, dass we­niger dis­kri­mi­niert wird?
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Ich denke auch hier gibt es zwei Sei­ten. Die gute Seite ist, dass über das In­ter­net viel­fäl­tige In­for­ma­tions- und Be­ra­tungs­an­ge­bote un­kom­pli­ziert, ano­nym und ohne großen Auf­wand wahr­ge­nom­men wer­den kön­nen. Das ist ge­rade für den länd­lichen Raum wich­tig. Aber auch für den Aus­tausch in­ner­halb der Com­mu­nity oder die Sicht­bar­keit ist der di­gitale Raum eine wich­tige Platt­form.
Und was ist die schlechte Seite?
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So, wie sich Be­ra­tungs­an­ge­bote oder hilf­reiche In­for­ma­tionen ver­brei­ten las­sen, so kön­nen na­tür­lich auch Hass, Hetze oder Ver­schwö­rungs­er­zäh­lungen schnell unter die Men­schen ge­bracht wer­den. Eine be­son­dere Rolle kom­mt hier sicher auch Social Media zu (Stich­wort Cy­ber­mob­bing). Seit ei­nigen Jahren wer­den auch Al­go­rith­men von der Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­stelle des Bun­des un­ter die Lupe ge­nom­men, da sie er­heb­liche Dis­kri­mi­nie­rungs­po­ten­ziale z.B. bei der Ver­gabe von Wohn­raum, in der Kredit­wirt­schaft oder bei der Ver­gabe von Ver­siche­rungs­ta­rifen bie­ten. Mit zu­neh­mender Ver­wen­dung der Mög­lich­keiten von Künst­licher In­tel­li­genz wird es zu­dem schwie­riger, Wahr­heit von Fake zu un­ter­schei­den. Hier braucht es klare ge­setz­liche Re­ge­lungen, um sich ge­gen Miss­brauch weh­ren zu kön­nen.
Okay und was braucht es noch? 💬
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Es braucht zu­dem mehr Sen­si­bi­li­sie­rung durch In­for­ma­tion und of­fenen Mei­nungs­aus­tausch in un­ter­schied­lichsten Le­bens- und Arbeits­be­rei­chen. Des­halb fand ich rich­tig gut, dass am 19.06.2023 der „THÜ­RIN­GER AK­TIONS­TAG GE­GEN HASS, HETZE UND DES­IN­FOR­MA­TION“ statt­fand. Un­be­dingt hin­weisen möch­te ich an dieser Stel­le auf die jüngst er­öff­nete Be­ra­tungs­stelle „elly“. Das Team von elly be­rät, be­gleitet und unter­stützt Be­trof­fene von Hate­speech in Thü­rin­gen.
Ras­sis­mus, Se­xis­mus, Anti­se­mi­tis­mus, Diskri­minierung haben unter­schied­liche Ge­sich­ter. Wo­mit haben wir in Thü­rin­gen ein echtes Pro­blem? 🤯
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Thü­rin­gen ist ins­ge­samt ein länd­lich ge­prägtes Bun­des­land, doch auch hier gibt es Un­ter­schie­de zwi­schen Stadt und Land. Der „Thü­rin­gen Mo­ni­tor 2023“ kommt zum Er­geb­nis, dass je länd­licher die Re­gion, je mehr sich die Men­schen dort „ab­ge­hängt“ fühlen und weni­ger per­sön­liche Kon­takt­mög­lich­keiten z.B. zu Men­schen mit an­derem Glau­ben oder an­derer Haut­farbe, Spra­che und Kul­tur haben, des­to grö­ßer ist die Ab­leh­nung. Das gilt na­tür­lich nicht nur bei uns, aber wir haben mit dem Thü­rin­gen Mo­ni­tor seit vielen Jahren ein Ins­tru­ment der Sicht­bar­mach­ung. Wie ge­lingt es uns ge­mein­sam bes­ser zu werden?
Wie kann man Men­schen hel­fen, die sich von der Po­li­tik „ab­ge­hängt“ füh­len?
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Fühlen sich Men­schen so­zial, kul­tu­rell oder wirt­schaft­lich im länd­lichen Be­reich „ab­ge­hängt“ und gibt es „Ent­täu­schung, Wut und Zu­kunfts­angst“, dann muss man zu­hören, mit­ein­ander reden und nach Lö­sungen suchen. Das heißt aber nicht nur, dass Auf­zeigen von Per­spek­tiven durch „den Staat“. Da müs­sen dann auch die mit ran, die (be­rech­tigt oder nicht) kri­ti­sie­ren. En­ga­ge­ment kann nicht hei­ßen, mon­tags auf die Straße zu ge­hen und schon gar nicht zu be­haup­ten, man be­fände sich in einer Dik­ta­tur und dann auch noch die zu stär­ken, die den An­griff auf Frei­heit, Ge­rech­tig­keit, Ver­nunft und Mit­mensch­lich­keit so­wie auf To­le­ranz und Viel­falt be­gon­nen haben. Eine zu­kunfts­fä­hige de­mo­kra­tische Ge­sell­schaft hat ihr Fun­da­ment in die­sen Wer­ten. Sie lebt vom Mit­machen, vom „Dafür“ und nicht vom lauten „Dage­gen“ und bei Kon­flik­ten von Kom­pro­missen. Das ist müh­sam, ge­rade auch, wenn es um Ras­sis­mus, Se­xis­mus, An­ti­se­mi­tis­mus oder an­dere For­men der Dis­kri­mi­nie­rung geht.
Richten wir mal den Blick auf die Po­li­tik 👀. Was tut Po­li­tik, da­mit we­niger dis­kri­mi­niert wird?
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Da muss man na­tür­lich „die Po­li­tik“ fra­gen. Ich möchte aber sa­gen, dass der Thü­rin­ger Land­tag 2019 in seinem Be­richt zu "Ur­sachen und For­men von Ras­sis­mus und Dis­kri­mi­nie­rungen in Thü­rin­gen so­wie ihre Aus­wir­kungen auf das ge­sell­schaft­liche Zu­sam­men­leben und die frei­heit­liche De­mo­kra­tie" wich­tige Aus­sagen ge­trof­fen und Hand­lungs­emp­feh­lungen für die Ver­wal­tung ge­ge­ben hat. Men­schen mit Dis­kri­mi­nie­rungs­er­fah­rungen kön­nen sich an den Pe­ti­tions­aus­schuss des Thü­rin­ger Land­tags und die/den Bürger­be­auf­tragte(n) beim Land­tag wen­den.
Und was heißt das kon­kret? 🤔
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Die Thü­rin­ger Landes­re­gie­rung hat auf un­ter­schied­lichen Ebe­nen ge­han­delt. Unsere LADS in der Staats­kanz­lei ist da nur ein Bau­stein. So gibt es in Thü­rin­gen be­son­dere An­lauf­stel­len für Men­schen mit Dis­kri­mi­nie­rungs­er­fah­rungen. Die*den Be­auf­tragte*n für In­te­gra­tion, Mi­gra­tion, Ge­flüch­tete; für die Gleich­stel­lung von Frau und Mann; für Men­schen mit Be­hin­de­rungen; für An­ti­zi­ga­nis­mus und für das Leben der Sinti und Sin­tizze sowie Roma und Romnja; die*den An­ti­semi­tis­mus­be­auf­tragte*n so­wie die Po­li­zei­ver­trau­ens­stelle. Auch Pro­gram­me der Lan­des­re­gie­rung und die För­de­rung von zi­vil­ge­sell­schaft­lichen Or­ga­ni­sa­tionen möchte ich hier er­wähnen. Grund­la­gen sind hier die Lan­des­pro­gram­me für De­mo­kra­tie, To­le­ranz und Welt­of­fen­heit („Denk­Bunt“) so­wie für Ak­zep­tanz und Viel­falt.
Und außer­halb der Po­li­tik?
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Wie ich ge­sagt habe, „die Po­li­tik“ oder „der Staat“ sind das eine. Sie kön­nen einen fi­nan­ziellen und per­so­nellen Rah­men schaf­fen. Der ge­nügt aber nicht, wenn ich mich nicht sel­ber fra­ge, was kann ich tun. Zum Bei­spiel in mei­ner Fa­mi­lie, in mei­ner Ge­meinde, im Ver­ein oder am Ar­beits­platz.
Blicken wir in die Zu­kunft: Wie wird sich Dis­kri­mi­nie­rung ver­ändern? Was glaubst du?
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Wahr­schein­lich wird es im­mer For­men von Dis­kri­mi­nie­rung geben, so­lange Men­schen ge­mein­schaft­lich zu­sam­men­leben. Ob wir das hin­neh­men oder hier be­wusst ge­gen­steu­ern, hängt von dir und mir ab. Wenn wir un­sere Ge­sell­schaft zu­kunfts­fähig machen wol­len, müs­sen wir uns wei­ter­ent­wickeln. Der Fach­kräfte­mangel ist da ein sehr gutes Bei­spiel. Wir wer­den un­seren Le­bens­stan­dard nur hal­ten oder zum Bei­spiel Pfle­ge im Al­ter und un­sere me­di­zi­nische Ver­sor­gung nur ge­währ­leis­ten kön­nen, wenn wir gut qua­li­fi­zierte Men­schen auch aus an­deren Tei­len der Welt für unser Land ge­win­nen kön­nen und sie sich hier ak­zep­tiert und sicher füh­len. Das ist na­tür­lich keine Ein­bahn­straße. Aber ohne eine di­verse und of­fene Ge­sell­schaft, die dis­kri­mi­nie­rende Un­gleich­be­hand­lung nicht dul­det, wird das nicht ge­lingen. Des­halb müs­sen wir uns ra­tional und emo­tional be­wegen.
Unser Jahres­thema ist Di­ver­si­tät. 🏳️‍🌈 Ist eine di­verse und gleich­zei­tig dis­kri­mi­nie­rungs­freie Ge­sell­schaft über­haupt mög­lich oder wird es durch mehr Viel­falt auch noch mehr Dis­kri­mi­nie­rung geben?
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Eine schwie­rige Fra­ge. Di­ver­si­tät ist für mich die Freu­de da­rüber, dass es un­ter­schied­liche Grup­pen von Men­schen gibt und jeder Mensch ein­malig ist und wir uns ge­gen­seitig ein Leben in per­sön­licher Frei­heit und Selbst­be­stim­mung wün­schen. Eine di­verse Ge­sell­schaft sieht also in Un­gleich­heit zu­nächst be­rei­chernde Viel­falt. Sie er­kennt aber zu­gleich an, dass es zum Bei­spiel aus so­zi­aler, wirt­schaft­licher oder kul­tu­reller Sicht gruppen­be­zo­gene oder in­di­vi­du­elle Un­gleich­heit gibt, die nicht ge­recht und des­halb dis­kri­mi­nie­rend ist. Sie nutzt diese Un­gleich­heit nicht als Mittel der Macht­aus­übung, der Aus­gren­zung, der Unter­drü­ckung oder so­gar der Ver­fol­gung, son­dern ver­sucht Nach­teile aus­zu­gleichen und Chancen­gleich­heit her­zu­stellen.
Also bleibt der Ge­danke bloß eine Utopie? 🛸
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Nein. Denn was ich hier be­schrie­ben habe, kön­nen wir in un­serem Grund­ge­setz lesen. Manch­mal den­ke ich, das ist zu we­nig be­kannt. Aber es ist wohl rea­lis­tisch, wenn man sagt, dass der Weg das Ziel ist. In­so­weit kann es auch sein, dass es auf dem Weg durch noch mehr Viel­falt manch­mal auch noch mehr Dis­kri­mi­nie­rung geben wird. Hier gilt es vor allem durch In­for­ma­tion ent­gegen zu wir­ken und mit guten Ar­gu­men­ten Ver­trauen zu schaf­fen. Wich­tig er­scheint mir, dass sich da­bei ein­zelnen Grup­pen nicht als Kon­kur­renten be­gegnen, son­dern als gleich­wer­tige Part­ner. In kei­nem Fall sollte es an­deren ge­lingen, hier mit po­pu­lis­tischen, na­tiona­lis­tischen Pa­rolen und „ein­fachen“ Lö­sungen zu punk­ten. Da­bei liegt viel an Euch. Dass Ihr Di­ver­si­tät zum Jahres­thema ge­macht habt, macht mir Mut.
Letzte Frage: Ich sehe, wie auf dem Schul­hof ein Mit­schüler auf­grund seines Aus­sehens ver­bal at­ta­ckiert wird: Was kann ich tun, ohne mich selbst zu ge­fährden ❓
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Ganz ehr­lich? Das kom­mt ein biss­chen auf die Si­tua­tion an: Wenn man selbst deut­lich älter als die „pö­belnde“ Per­son oder nicht al­lein ist, kann man direkt ein­grei­fen und die ver­bale At­tacke auch ver­bal be­enden. Scheint der an­dere stärker, sollte man doch lie­ber die auf­sicht­füh­rende Lehr­kraft oder die*den Schul­sozial­ar­beiter*in gleich um Hil­fe bit­ten. Schu­le muss ein angst­freier Raum sein, vor al­lem, was das Mit­ein­an­der von Schü­ler*innen und Päda­gog*innen an­geht. Na gut, etwas „Angst“ vor dem einen oder an­deren Test wird es wohl im­mer geben, aber Mob­bing oder Dis­kri­mi­nie­rung muss the­ma­ti­siert wer­den. Hier muss Schule klar Stel­lung be­ziehen und Be­trof­fene schüt­zen und stär­ken.
Vielen Dank für das Inter­view!