Lass mal nachhaltig werden! Aber wie?
Eure Anlaufstelle in Thüringen
Das Nachhaltigkeitszentrum Thüringen ist Anlaufstelle für Politik, Verwaltung und Bürger*innen zu Themen rund um Nachhaltigkeit in Thüringen. Egal ob Beratung, Informationen, Veranstaltungen, Schulungen oder Vernetzung.💡🕸️ Das NHZ hat alles im Angebot. 😎 Wir haben mit Uta und Anna gechattet 📱 und viele Einblicke in ihre Arbeit bekommen.🤓
Hallo liebes Team vom Nachhaltigkeitszentrum Thüringen! Schön, dass ihr uns für ein Interview zur Verfügung steht! Fangen wir direkt mal an mit der ersten Frage: Was bedeutet denn für euch der Begriff “Nachhaltigkeit”?
Nachhaltigkeit ist ein sperriges Wort, das wissen wir Aber da steckt sehr viel drin. Nachhaltig bedeutet: vorsorgen, vorausschauen, nicht ausbeuten, die Einzelnen und gleichzeitig die gesamte Gesellschaft und – leider nicht weniger – unseren Blauen Planeten im Blick haben.
Ansatzweise hatten das schon Menschen im Barock verstanden, die sich mit dem Forst beschäftigten. Z.B. auch die Weimarer Regentin Anna Amalia Sie wies an, den Wald so zu nutzen, dass er sich regenerieren und damit auch für kommende Generationen Ressource sein kann
Es gibt verschiedene Modelle, die den Begriff Nachhaltigkeit beschreiben. Eines davon ist das Vorrang-Modell. Das nimmt eine Gewichtung vor und sagt, die Ökologie ist am Wichtigsten, dann kommt Soziales und dann die Ökonomie. Wie seht ihr das?
Modelle sind dazu da, unsere super komplexe Welt vereinfacht abzubilden. Das gelingt ihnen mal mehr und mal weniger gut und ist ganz oft auch vom Kontext abhängig. Wenn es z.B. um Nachhaltigkeit in einer Organisation oder in der Schule geht, stellt sich für mich schon die Frage, ob da nicht die soziale Nachhaltigkeit am schwersten wiegt…
Oder die ökonomische – würde der Geschäftsführer jetzt sagen
Wenn er damit meint gut zu wirtschaften, um seine Leute vernünftig bezahlen zu können, bin ich sogar bei ihm
Alles hängt mit allem zusammen. Das Vorrang-Modell funktioniert nur bedingt. Aber im Grunde ist Ökologie tatsächlich der Kern
Jetzt aber zu euch! Ihr sagt, dass ihr ein Netzwerk für die Zukunft seid. Warum braucht es dieses Netzwerk?
Weil man zusammen mehr erreicht. Es geht schließlich um die Wurst Das Retten unseres Planeten und dass auch unsere Kindeskinder so gut leben können wie wir – auch in 100 Jahren noch. Darum muss man Banden bilden
Früher hätte man Graswurzelbewegung dazu gesagt Dass es von unten massiv wächst und üppige grüne und bunte Flächen bildet
Auf eurer Website steht, dass ihr euch von den 17 SDGs leiten lasst. Gibt es dabei ein Ziel, dass euch besonders am Herzen liegt bzw. eines, mit dem ihr euch besonders häufig auseinandersetzt?
Ich glaube wir haben alle unser persönliches Lieblings-SDG Uta und ich haben sogar zufälligerweise das gleiche, Ziel 11: „Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten"
Wir leben alle in Dörfern oder Städten. Das ist unser Alltagsraum. Je besser der ist, desto besser geht es uns - und umgekehrt Es ist eben auch der Ort, wo wir konkret mitgestalten können Was Anna z.B. auch ehrenamtlich in Erfurt tut.
Yes, ich bin in einem Kulturverein
Und übrigens arbeiten wir auch verstärkt zu SDG 4 „Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle gewährleisten“
Euer Fokus liegt ganz besonders auf den Kommunen in Thüringen. Mit was für Fragen und Anliegen kommen Kommunen regelmäßig auf euch zu?
Das ist wirklich so vielfältig wie das Nachhaltigkeitsthema selbst Im letzten Jahr war Mehrweg ganz beliebt. Also sowohl auf dem Wochenmarkt als auch bei Festen und überhaupt Das ist gerade durch Gesetzesänderungen sehr aktuell, sodass wir dazu auch ein Forum gemacht haben. Sowas passiert häufiger, dass wir bei Anliegen von Kommunen denken „Das interessiert doch mehrere, dazu müssten wir mal was machen“. Ein Dauerbrenner ist Förderung. Woher krieg ich das Geld, um meine guten Ideen umzusetzen? Da können wir aber leider auch nur an andere Stellen verweisen
Tatsächlich ist es bei mir so, dass ich eher die Kommunen anrufe als andersrum Dann versuche ich sie meistens für Aktionen zu begeistern, wie unsere Mehrwegkampagne oder die Aktionstage „Essen in Mehrweg“. Aber mein verrücktester Anruf bisher war eine Frau, die ein Vogelnest gefunden hat, das vom Baum gefallen war, mit frischgeschlüpften Küken drin und die nicht wusste, was sie tun soll. Übrigens wusste ich das auch nicht, also wenn es euch mal so geht: Untere Naturschutzbehörde oder NABU helfen bei Naturschutzfragen weiter
Was verbirgt sich hinter dem “Bürgermeisterdialog zur nachhaltigen Kommunalentwicklung in Thüringen“?
Im BMD, wie wir ihn liebevoll nennen, wird Nachhaltigkeit zur Chefsache Da kommen zwei- bis dreimal im Jahr (im Moment nur noch digital) die Bürgermeister*innen parteiübergreifend in einer Dialogrunde zusammen und besprechen, was sie nachhaltig tun Das ist wahnsinnig vielfältig und betrifft eigentlich alle Bereiche. Darum stellen wir uns die Frage, wo klappt es schon, wo nicht? Was haben wir für gute Beispiele? Was für Themen brennen den Bürgermeister*innen auf der Seele? Wo muss man vielleicht auch mal nachfragend oder fordernd auf die Politik zugehen, diese vielleicht auch zum BMD einladen? Alles sowas Von diesem Austausch profitieren alle Seiten ungemein! Und wir haben da vor allem die organisierende, bündelnde Funktion
Ist doch Quatsch, wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht, wenn man voneinander lernen kann (und sein Rezept so noch schneller und besser verfeinert ).
Warum ist es wichtig auf der Kommunalebene aktiv zu werden, wenn der Klimawandel doch ein globales Problem bzw. eine riesige, globale Aufgabe ist?
Genau aus dem gleichen Grund, aus dem ich Müll trenne, weniger Fleisch esse, Ökostrom beziehe und mich mit der Straßenbahn fortbewege. Damit löse ich ja auch nicht die Klimakrise – aber die Summe machts Die Summe an Menschen, Kommunen, Bundesländern, Staaten…! Wir müssen uns auf allen Ebenen diesem globalen Problem stellen und wir als thüringenweites Projekt setzen da bei den Kommunen an. Die Arbeit wird schließlich ganz praktisch vor Ort gemacht: da wird Solar auf dem Dach vom Kindergarten nachgerüstet, hier bei der Schulspeisung auf regionale Produkte gesetzt und dort werden die Radwege sicherer, wodurch wiederum mehr Menschen Fahrrad fahren Große Ziele werden in den Städten und Gemeinden konkret umgesetzt.
Nicht von Ungefähr lautet das Motto der Agenda 2030 „Global denken, lokal handeln“. Siehe Graswurzelbewegung – es muss von unten dicht wachsen
Wir müssen uns auf allen Ebenen diesem globalen Problem stellen und wir als thüringenweites Projekt setzen da bei den Kommunen an.
Wo seht ihr in Thüringen den größten Handlungsbedarf in Sachen Nachhaltigkeit?
Thüringen ist im Ranking der ostdeutschen Bundesländer ganz weit vorn Hier gibt es das erste Klimagesetz, hier gibt es ein starkes Nachhaltigkeitsnetzwerk. Das wissen die Wenigsten, aber wir arbeiten daran.
Wichtig sind die Menschen. Die Wahlergebnisse hier haben gezeigt, dass es viele Menschen gibt, die nicht wissen oder nicht wissen wollen, dass ein „Weiter so“ oder „Zurück zu Gestern“ zerstörerisch ist. Deswegen ist Bildung für Nachhaltige Entwicklung hier so wichtig – und wird übrigens auch massiv vom Umweltministerium gefördert
Ein Begriff, der aktuell oft im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit fällt, ist die “Sozial-ökologische Transformation“. Was heißt das denn für Thüringen konkret?
Wir müssen DRINGEND unsere Ökosphäre schützen. Wer schützt sie? Die Menschen. Das können sie aber nur, wenn sie bei sich sind, wenn es ihnen gut geht und wenn sie deshalb den egozentrischen Blick aufheben hin zu ihrer menschlichen und natürlichen Umgebung.
Also in Thüringen haben wir sehr oft noch die bundesweit schlechteste Bezahlung von Arbeit und viele prekäre Arbeitsverhältnisse Wenn die Leute sich aber keine Sorgen mehr machen müssen um ihr Auskommen und ein gutes Leben führen, dann werden sie sich auch um andere und Anderes kümmern.
Das heißt auch, dass sie dann vielleicht auch bewusster konsumieren , dass sie sich ehrenamtlich engagieren usw. Dass sie auch die Chance haben, sich in Genossenschaften einzubringen, die Strom aus Sonne und Wind oder gesunde Lebensmittel produzieren oder die Wohnungsfrage lösen.
Kommen wir mal zum großen Block “Bildung für Nachhaltige Entwicklung”. Was hat denn Bildung mit Nachhaltigkeit zu tun? Und warum sollte Bildung in diesem Bereich gefördert werden?
BNE zielt auf dem Erwerb von Gestaltungskompetenzen, damit sich jede*r aktiv und selbstbestimmt in die nachhaltige Entwicklung einbringen kann. Dabei spielt z.B. die Reduzierung des eignen ökologischen Fußabdrucks eine zentrale Rolle. Also solche Fragen wie: Wie ernähre ich mich? Wie umweltschädlich ist mein Klamottenkonsum? Kann ich daran etwas ändern? Soll ich mir ein Auto kaufen oder gibt es coole und vor allem nützliche Alternativen dazu?
BNE zielt auf die gesamte Persönlichkeitsentwicklung ab. Auf das Bewusstwerden des Menschen seiner selbst und als Teil der Weltgesellschaft und als Bewohner der Erde. Das geht einher mit der Entwicklung von Verantwortungsbewusstsein und verantwortungsvollem Handeln. Voraussetzung dafür ist Wissen.
Was macht ihr in diesem Bereich? Was hab ihr da für Angebote?
Wir machen Workshops mit Leuten aus verschiedenen Institutionen und Organisationen
Das ist aber nicht unsere Hauptaufgabe. Das machen wir eher zusätzlich, weil es wichtig ist. Im Grunde sind aber auch die Veranstaltungen, die wir vorhin bereits genannt haben, sowas wie BNE-Angebote.
Ein ganz wichtiges Arbeitsfeld ist, dass wir einerseits die BNE-Aktivitäten in Thüringen koordinieren und andererseits helfen, die BNE von Bildungsanbieter*innen zu qualifizieren. Dafür führen wir einen sog. Qualitätsentwicklungsprozess (ja, ja sperriges Wort ) durch, an dessen Ende das Zertifikat „Thüringer Qualitätssiegel BNE“ steht. 21 Bildungsanbieter*innen haben das Siegel bereits. 8 sind derzeit im Prozess.
Und wir koordinieren die „klimafit“- Kursreihe für die Volkshochschulen Mitteldeutschlands. „klimafit“ wurde von WWF und die Helmholtz-Gemeinschaft entwickelt und wird nun auch im Frühjahrssemester an den Thüringer VHS durchgeführt.
Auf eurer Website haben wir gesehen, dass ihr zum Beispiel Spiele nutzt, um die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung zu vermitteln. Wie können wir uns das vorstellen?
Na, wir spielen auch mal mit den Leuten bei einem Nachhaltigkeitsworkshop. Klappt prima. Es gibt aber auch Leute, die sich die Spiele für ihre Arbeit, z.B. als Klimaschutzmanager, ausleihen.
Unsere Kollegin Isabelle hat sogar selbst ein Spiel entwickelt, was sich hervorragend für Kommunen eignet. Das wird gerade produziert
Spielen macht Spaß Spielerisch die Welt zu verstehen, ist doch toll. Nachhaltigkeit soll auch Spaß machen.
Werfen wir mal einen Blick in die Glaskugel : Wie sieht eure Vision für eine nachhaltige Zukunft Thüringens aus?
Energie und Wärme kommt zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen und wird von Bürgerenergiegenossenschaften und/ oder den Kommunen (und nicht irgendwelchen Konzernen) erzeugt. Deswegen sind die Energiepreise niedrig und viele Leute haben Genossenschaftsanteile. Sie finden z.B. Windenergie deswegen auch richtig gut.
Und die Kommunen haben dadurch Geld um das Leben schön zu gestalten. Geld für KiTas und Schulen, für Bildungsaktivitäten draußen und miteinander, für Gemeinschaftshäuser mit Kneipe oder Gaststätte, für einen eigenen Regionalwarenladen, für Urban Gardening, für den Stadtwald, für die Bienen usw. Und die Landwirtschaft zieht mit am Nachhaltigkeits-Strang. Und die anderen Unternehmen auch. Fair, gesund, gerecht, müllfrei, schön.
Das ist enorm anziehend für junge Leute, besonders Familien die dann zuhauf nach Thüringen strömen…
Und jetzt nochmal ganz praktisch: Ich bin jung, lebe in Thüringen und will mich für mehr Nachhaltigkeit einsetzen. Was kann ich tun?
Im Netz findest Du alles, was Du wissen willst. Und dann kannst Du Dich entscheiden, was Du wo und wie tun willst
Da gibt es ja nicht nur unsere Website, sondern auch die des Thüringer Umweltministeriums. Und viele andere mehr
Zum Abschluss unseres Interviews: Habt ihr drei allgemeine Tipps für mehr Nachhaltigkeit?
Stromanbieter auf Nachhaltigkeit prüfen und gegebenenfalls wechseln
(Klamotten-)Konsum prüfen und gegebenenfalls umstellen
Nachhaltige Selbstreflexion
Vielen Dank euch beiden für das spannende Interview und die tollen Einblicke in eure Arbeit! Weiterhin viel Erfolg dabei