Egal. Hauptsache Trash!
Torge Dermitzel
🅹🆄🅽🅶 🆒 🆀🆄🅴🅴🆁 🌈 🅰🅻🆃🅴🅽🅱🆄🆁🅶 🏡 Dafür steht Torge Dermitzel! Der Queer-Aktivist setzt sich für eine vielfältige Gesellschaft in der Thüringer Provinz ein. Wir haben mit ihm über 🏆 Erfolge, 🤬 Hass und seine 🎇 Erwartungen an die Politik gesprochen.
Vorgestellt.
Wer ist Torge Dermitzel?
Torge Dermitzel ist Queer-Aktivist in der Provinz, genauer gesagt in Altenburg. Überregional bekannt wurde Torge Dermitzel als Initiator des ersten Altenburger Christopher-Street-Day (CSD) im Jahr 2021.
Ein paar Fakten zu Torge Dermitzel:
1999 geboren
aufgewachsen in Schleswig-Holstein
hat eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger gemacht
im Vorstand des LSVD Thüringen
aktives Mitglied von DIE LINKE
Hallo Torge, schön dass du uns für ein Interview zur Verfügung stehst! Wir starten mit einer schnellen Fragerunde: Energy-Drink oder Kaffee?
Kaffe! Kaffe! Kaffe!
Skat oder UNO?
Das Dritte!
Vita Cola oder Coca-Cola?
Coca-Cola Zero
Twitter oder Insta?
Insta
Fernsehen oder YouTube?
Egal. Hauptsache Trash!
Gehen wir mal rein ins Thema: Du bezeichnest dich selbst als „Queer-Aktivist aus der Provinz“. Was bedeutet denn „queer“?
Queer ist der Sammelbegriff für LSBTIQ*, also Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und eben Queers. Er ist einfacher zur kommunizieren als die lange Buchstabenreihe, die von vielen anders zusammengesetzt wird wie: LGBT, LGBTQIA+, LSBTTIQ usw.
Du bist in der „Provinz“ aktiv. Was macht es für einen Unterschied, ob du als Aktivist in der Stadt oder auf dem Land etwas bewegen willst?
Da gibt es einige Aspekte. Im ländlichen Raum sind Queers viel unsichtbarer, da Provinzen oft viel konservativer sind und das die Gesellschaft hemmt, offen mit sich selbst zu sein. Sich also untereinander kennenzulernen, sich zu vernetzen ist in der Provinz viel schwerer. Dazu kommt noch, dass Provinzen und Käffer breit gestreut sind und wir alle kennen den schlechten Nahverkehrer in Deutschland. In kleinen Städten oder Gegenden gibt es auch keine queeren Treffpunkte, Veranstaltungen, Begegnungen.
Was hat das für Folgen?
Das alles bedeutet für Menschen, die mit ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität hadern oder sich unsicher sind, dass sie damit nicht bis gar nicht in Berührung kommen. Für die allgemeine Bevölkerung bedeutet die Unsichtbarkeit, dass Queerness diese „Woke“ aus der Großstadt ist.
Wie bist du überhaupt dazu gekommen, dich politisch zu engagieren?
Ich finde, dass uns die Gesellschaft alle etwas angeht. Ich bin mit vielen Dingen nicht einverstanden. Ich möchte nicht, dass in Deutschland Kinder in Armut leben, Menschen diskriminiert werden, Wohnen zum Teil unbezahlbar wird usw. Deswegen habe ich mich entschieden mich einzubringen und versuche so, Dinge zu bewegen.
Warum lehnst du dich nicht einfach zurück und genießt dein Leben?
Irgendwie war ich schon immer ein:e Macher:in. Zusehen wie andere den Dreck wegkehren ist nicht meins. Ich liebe es zu gestalten und mitzusprechen. Zudem bin ich immer wieder von Diskriminierungen betroffen. Natürlich könnte ich das einfach hinnehmen, aber warum sollte ich? Ich will das nicht hinnehmen und will genauso wenig, dass es anderen passiert, weil ich weiß, was das mit einem macht.
Warum liegt dir das Thema LGBTIQ+ so am Herzen und nicht ein anderes Thema?
Ich bin weiß. Ich werde Männlich gelesen. Ich habe damit krasse Privilegien. Ich identifiziere mich aber als Nicht-Binär, stehe auf Männer* und bin eher feminin als stereotypisch maskulin. Das macht mich zur Zielscheibe von Diskriminierung und Ausgrenzung, die ich nicht auf mir sitzen lasse. Zudem werden LGBTIQ+ immer wieder gesellschaftliche und staatlich strukturelle Diskriminierung abgesprochen, weil wir doch jetzt heiraten können. Als Betroffene:r kann ich mich besser in diesem Feld einbringen, weil ich weiß wie es sich anfühlt.
Werden wir mal persönlich: Du bist nicht-binär. Was heißt das eigentlich? Ganz platt gesagt: Heute Mann, morgen Frau?
Puh, ganz schwierige, unsensible platte Aussage… Nicht-Binär bedeutet, dass ein Mensch sich nicht mit den binären Geschlechtern (Mann und Frau) identifizieren kann. So geht es mir auch: Ich bin Männlich gelesen. Ich kann mich aber nicht recht als Mann identifizieren. Genauso wenig möchte ich eine "Frau" sein. Für Menschen, dessen Juice es nicht ist, ist es vielleicht schwer zu verstehen. Aber: Lesen bildet!
Ist die Ansprache „Herr Dermitzel“ für dich eine Beleidigung? Wie fühlst du dich damit?
Nein. Ich nutze die Pronomen Er/ihn, Sie/Ihr oder They/Them. Von daher ist für mich "Herr Derrmitzel" schon okay. Ich habe es aber am liebsten geschlechtsneutral angesprochen zu werden. Statt "Sehr geehrter Herr Dermitzel..." könnte man auch "Sehr geehrte:r Torge Dermitzel..." oder "Hallo/Guten Tag Torge Dermitzel..." schreiben!
Wie spricht man eine nicht-binäre Person richtig an?
Am besten mit dem Namen? Damit macht man schonmal nichts falsch. Wenn man sich vorstellt, kann man auch seine Pronomen sagen oder die Pronomen des Gegenübers erfragen.
Wir müssen nur durchhalten, mutig sein und dürfen niemals grau werden! 🏳️🌈 😇
“Mein Geschlecht und meine sexuelle Orientierung sind Privatsache und haben nichts mit Politik zu tun!” Stimmt das?
In erster Linie ja. Die Kämpfe für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Gesellschaft, im Bildungswesen usw. sind aber hoch politisch. Genauso wie Kämpfe für Freiheit, Selbstbestimmung und die gleichen rechtlichen Ansprüche.
Du hast den Christopher Street Day – kurz CSD – in Altenburg organisiert. Was magst du an Altenburg?
Einspruch! Ich habe den CSD initiiert aber nicht organisiert. Hinter der Organisation steht ein tolles Team! Altenburg ist voll von schöner Architektur und kleinen paradiesischen Ecken. Immer wieder findet man Spots mit tollen Aussichten, die einen manchmal auch kurz innehalten lassen. Die Stadt ist übersichtlich und eigentlich hat man fast alles, was man zum Leben braucht.
Warum braucht Altenburg einen CSD?
Altenburg ist überaltert, konservativ, ja sogar eher rechts und vor allem rechts-offen. Nach der Ankündigung, dass einen CSD geben soll, gab es einen großen Aufschrei. Es hagelte widerliche Kommentare, Beleidigungen und sogar Mord- und Gewaltandrohungen. Das alles, gepaart mit dem Feedback der vor allem jungen Teilnehmenden aus dem Landkreis, hat mir gezeigt, dass der CSD für Altenburg wahnsinnig wichtig ist.
Als Reaktion auf den CSD hast du also viele Hassnachrichten bekommen. Was hat das mit dir gemacht und warum machst du trotzdem weiter?
Hass trifft mich immer. Mal stärker und mal lache ich darüber hinweg. Ich denke immer wieder darüber nach, ob ich nicht einfach aufhören soll. Aber wofür? Damit Hass gewinnt? Wir dürfen als Community den Mut nicht verlieren. Wir haben seit 1969 viel erreicht. Ich glaube, dass wir die Welt zu einem besseren Ort machen können, wenn wir zusammenhalten!
Was glaubst du, woher dieser Hass kommt?
Das kann ich nicht genau sagen. Angst vor etwas „anderem“? Frustriert über das eigene Leben? Jedenfalls fällt mir kein “legitimier“ Grund für Hass ein.
Auf welchen politisch-aktivistischen „Erfolg“ - neben der Organisation des CSD in Altenburg - bist du besonders stolz?
Der CSD hat Menschen Mut gemacht und Hoffnung auf „bessere Zeiten“ gegeben. Eine junge Flinta*-Person sagte am Tag des CSD 2021 zu mir: „Dank dir, habe ich die Hoffnung hier nicht wegziehen zu müssen. Der CSD macht mir Mut zu mir selbst zu stehen“. Einen größeren Erfolg kann man wohl nicht haben! Dieser Moment erfüllt mich bis heute mit einer wahnsinnigen Dankbarkeit.
Deine drei Forderung an die Politik zum Thema Diversität!
1. Hört auf mit diesen nervigen Sonntagsreden á la: „Mir ist das Thema ja so wichtig“, und macht endlich euren Job.
2. Bekämpft endlich durch Gesetze, Richtlinien und hartes Durchgreifen rechte, rassistische und patriarchale Strukturen!
3. Nehmt die steigenden Fallzahlen im Bereich der Hasskriminalität ernst und zieht Konsequenzen, um Opfer von Hass und Hetze zu schützen!
Zum Abschluss: Was möchtest du jungen, queeren Menschen mit auf den Weg geben?
Du bist wundervoll, amazing und beauty so wie du bist! Lass dir niemals von vermeintlichen Freund:innen, deinem Umfeld oder auch von der Familie sagen, dass du nicht richtig bist. Als junger queerer Mensch, gerade auf dem Land, ist es echt hart. Manchmal scheint einem die erdrückende Atmosphäre die Luft abzuschnüren. Aber: es wird besser werden. Wir müssen nur durchhalten, mutig sein und dürfen niemals grau werden!